Cricket verbindet – Ein PfD-Projekt von der Idee bis zum Fazit

Seit sieben Jahren gibt es sowohl in der Hansestadt Stendal als auch im Landkreis Stendal eine Partnerschaft für Demokratie – kurz: PfD. Diese beiden Bündnisse von Menschen und Institutionen aus Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung setzen sich ehrenamtlich für die Stärkung von Demokratie und Vielfalt ein. Dank Fördergeld aus dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) können Vorhaben von Vereinen, Initiativen und gemeinnützigen Organisationen finanziell unterstützt werden. Das Prozedere ist unkompliziert. Eine Fach- und Koordinierungsstelle, angesiedelt beim KinderStärken e.V., berät zu Ideenfindung, Konzeption und Antragstellung.

2022 sind insgesamt 49 Vorhaben mit mehr als 100.000 Euro unterstützt worden. Eines davon war „Sport verbindet“, bei dem das Cricket-Spiel junge Menschen aus Deutschland und Afghanistan zusammenführte. An seinem Beispiel soll der Weg eines PfD-Projektes von der Idee über die Umsetzung bis zum Fazit nachvollzogen werden.

Ein Gedanke

Der Weg des Crickets nach Stendal führt gedanklich über Sri Lanka. Seit 30 Jahren gibt es freundschaftliche Kontakte zwischen Sportlerinnen und Sportlern in der Hansestadt Stendal und dem fernen asiatischen Land. Cricket ist dort eine sehr beliebte Sportart, und das zeigt auch eine Ausstellung über Sri Lanka in Stendals Sportmuseum. Junge Menschen verschiedener Nationen, die in der Hansestadt leben, bleiben daran hängen und kommen ins Erzählen. „Für viele bedeutet Cricket ein Stück Heimat“, bemerkt Uwe Bliefert. „Es ist eine sehr faszinierende Sportart, die Athletik, Spielstrategie und Geschicklichkeit erfordert“, sagt der ehrenamtliche Leiter des Sportmuseums. In seinem Kopf entsteht der Gedanke eines Cricket-Projektes.

Geburtshilfe

Das Sportmuseum in der Stadtseeallee 1 und die PfD-Fach- und Koordinierungsstelle im selben Haus trennen nur ein paar Treppenstufen. Uwe Bliefert erzählt Alexander Wittwer, worüber er sich Gedanken macht. „Das hört sich gut an. Schreib das mal auf“, bestärkt ihn der PfD-Koordinator und hilft dabei, ein „rundes“ Projekt zu entwickeln. Der Verein KinderStärken e.V. übernimmt die Trägerschaft für die Initiative. Diese konkrete Hilfe durch die Koordinierungsstelle empfindet Uwe Bliefert als sehr wichtig und schätzt den Projektantrag mit seinen Leitfragen als „sehr zielführend“ ein.

Auf dem Prüfstand

Nächster Schritt: Begleitausschuss. Er ist das wesentliche Element der Partnerschaften für Demokratie, ein ehrenamtliches Gremium jeweils für die Stadt und für den Landkreis, in dem zivilgesellschaftliche Akteure gemeinsam mit Politik und Verwaltung arbeiten. Vertreterinnen und Vertreter aus jeweils 17 Institutionen und Organisationen beschäftigen sich mit den Anträgen. Ist das Projekt innovativ und beispielhaft? Verbessert es die Chancengleichheit an demokratischer Mitbestimmung? Es gibt eine Reihe von Kriterien, nach denen die eingereichten Konzepte bewertet werden. Bevor die Ausschussmitglieder über die Mittelvergabe entscheiden, hören sie sich die Projektideen der Bewerberinnen und Bewerber persönlich an und fragen, wenn nötig, nach.

Uwe Bliefert hat seinen Antrag bei der PfD der Hansestadt Stendal gestellt. Bei der Sitzung des städtischen Begleitausschusses im März 2022 stehen neben dem Projekt des Sportmuseums neun weitere Anträge auf dem Prüfstand, darunter ein Audio-Stadtspaziergang für Blinde- und Sehbehinderte, ein Sicherheitstraining zur Prävention gegen Gewalt und Missbrauch für Grundschüler und eine Veranstaltung, die sich mit Kindern auf tödlichen Migrationswegen und Kinderrechten befasst.

Theorie

Uwe Bliefert schildert dem Begleitausschuss die zwei Säulen des Cricket-Projektes: gemeinsame sportliche Aktivität auf der einen Seite, kleine Seminare z. B. zur Geschichte und den Regeln des Spiels und zur Arbeit in den Sportvereinen der Stadt auf der anderen. Geflüchtete, die bereits Cricket gespielt haben, könnten den anderen helfen, das Spiel zu erlernen und auf diese Weise Wertschätzung erfahren. Freundschaften entstehen, Sprachkenntnisse werden gefestigt. Beim Stadtseefest im September könnte die Gruppe zeigen, was sie gelernt hat, und auch eine Fahrt nach Berlin zu einem Cricketspiel ist geplant. Finanzielle Unterstützung wird u. a. gebraucht für Referenten-Honorare, Aufwandsentschädigung für Trainer, sportliche Ausrüstung und Reisekosten. Alles in allem knapp 3000 Euro für ein halbes Jahr. Der Begleitausschuss stimmt zu.

Praxis

Im April 2022 geht es los. Über das gut ausgeprägte Netzwerk von Jugendclubs, Schulen, (Sport)vereinen und Initiativen, Streetworkern, der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber und Spätaussiedler und durch persönliches Engagement eines jungen Afghanen finden sich 14 Interessenten, junge Männer aus Stendal und vorwiegend aus Afghanistan. Sportmaterialien werden eingekauft und wöchentliche Trainingsstunden organisiert. Um sich mit den Spielregeln vertraut zu machen, schauen sich die „Cricket-Freunde Stendal“, so heißen sie jetzt, zusammen Spiele aus Mediatheken an.

Als Glücksfall erweist sich der Kontakt zum Cricket Club der Universität Magdeburg (USC). Abteilungsleiter Farhad Billimoria gibt bei einem Besuch im Sportmuseum wertvolle Hinweise, zum Beispiel, dass in diesem Stadium keine Profiausrüstung nötig ist. Und er lädt die Cricket-Eleven aus Stendal auch in die Landeshauptstadt ein. Dort erleben sie u.a. ein Ligaspiel des USC Magdeburg gegen ein Team aus Halle. Zum Stadtseefest im September 2022 präsentiert eine Delegation aus Magdeburg gemeinsam mit dem jungen Stendaler Team die Sportart Cricket in der Öffentlichkeit.

Was bleibt?

Sport verbindet – in diesem Falle Cricket. Das Konzept von Uwe Bliefert geht auf. Die Projektteilnehmer sammeln neue Erfahrungen, lernen sich kennen und schätzen. Abseits der Trainingsstunden entstehen persönliche Kontakte, im Sommer wird gemeinsam gegrillt. „Es sind kleine Mosaiksteine“, sagt Uwe Bliefert. „Cricket in Stendal ist nicht zu Ende“, zeigt er sich bei seinem Projekt-Fazit überzeugt. Die Streetworker wollen im Rahmen ihrer Arbeit an die guten Erfahrungen des PfD-Projektes anknüpfen. Dafür stehen die gekauften Sportmaterialien weiterhin zur Verfügung. Auch die WhatsApp-Gruppe der „Cricket-Freunde Stendal“ gibt es noch und der Kontakt zum USC in Magdeburg ist nicht abgerissen. Dort sind die Stendaler jederzeit willkommen.

Antrag stellen

Die Begleitausschüsse tagen 2023 zum ersten Mal im März und entscheiden über Projektanträge mit einem Finanzbedarf von bis zu 5000 Euro. Vorhaben bis 800 Euro können fortlaufend eingereicht werden. Ansprechpartner in der Fach- und Koordinierungsstelle der Partnerschaften für Demokratie Hansestadt Stendal und Landkreis Stendal ist Alexander Wittwer, Tel. 3931 5209 217, mobil 0178 2828 836, E-Mail pfd-stendal@kinderstaerken-ev.de. Alle Informationen und Antragsformulare sind auf www.kinderstaerken-ev.de/pfd-auswahl zu finden.